2016 Veranstaltungen

Manuskriptwanderung 2016 - Eisenach - Hörselberge

Am Wochenende wanderten 27 Schriftsteller im Frühtau singend zu Berge. Ein jeder mit einem Manuskript im Rucksack. Das hat hier Tradition. Seit 1996 trifft man sich im September zur gemeinsamen Manuskriptwanderung.

„Morgens nicht zu sprechen!“ So steht es, noch immer, an der Pforte der Fritz-Reuter-Villa zu Eisenach. Schlafen Schriftsteller etwa lange oder schaffen sie schon in aller Herrgottsfrühe?

Am Wochenende wanderten sie im Frühtau singend zu Berge – 27 Mitglieder des Thüringer Verbands. Ein jeder mit einem Manuskript im Rucksack. Das hat hier Tradition. Seit 1996 trifft man sich im September zur gemeinsamen Manuskriptwanderung. Erst glühen die Sohlen, dann liest man sich den Mund fusselig, und am Ende fliegen die Fetzen. Jeder darf seine literarischen Ergüsse frei vortragen, wenn er sich traut.

Wer hat diesen neuzeitlichen Sängerkrieg eigentlich erfunden? Die Ältesten unter uns erinnern sich: Der Scherzer war‘s, der vor 20 Jahren erstmals dafür die Trommel rührte. Seither durchwandern wir jährlich unser Heimatland, immer in einer anderen Region.

Wir waren in Heiligenstadt und in Röttelmisch, in Tautenburg und in Greiz, stapften von Plothen zum Rittergut Knau, folgten Novalis von Weißensee nach Grüningen und haben bei Steinheid nach Gold geschürft. Dem Bücherpfarrer Weskott stiegen wir auf die Burg, mit drei Kollegen aus Niedersachsen im Schlepp. Einmal pilgerten wir auch mit Freunden durch Bayern. Die kürzeste Route führte von Großjena durch ein Weingut und endete nach zwei Kilometern – in der Tränke.

Diesmal, bei Eisenach, ist alles perfekt: der Weg zum Hörselberg, das Wetter, die Kneipe, selbst das Hotel mit seinen Wackeltischen, unter die man Bierdeckel klemmt.

Und der Sängerkrieg?

Ist nur geklaut. Nicht von Wagner, von der Gruppe 47. Dort zerriss man sich einst über den Jungautor Günter Grass die Mäuler. Einen Grass haben wir nicht, doch jede Menge in die Jahre gekommene junge Autoren. Eigentlich müssten wir uns jetzt, im Gasthof „Am Storch“, die Manuskripte um die Ohren hauen, doch wir streiten nur. Um Verse, Sätze und Worte. Mark Twain sagte einmal, die deutsche Sprache sollte sanft und ehrfurchtsvoll zu den toten Sprachen abgelegt werden, denn nur die Toten hätten die Zeit, sie zu erlernen. Dagegen schreiben und wandern wir an.

Frank Quilitzsch / OTZ 27.09.2016/