Wir haben Habeck

Ein Blick hinter die Kulissen der Vorstandsarbeit im Thüringer Schriftstellerverband

Habeck
Robert Habeck. Foto: Raimond Spekking

Es gibt viele Gründe, sich zu den Vorstandssitzungen des Thüringer Schriftstellerverbandes immer wieder im kleinen Erfurter Ortsteil Tiefthal zu treffen. Als Erstes wäre dabei wohl die zentrale Lage anzuführen. Zwar haben die Kolleginnen aus Ostthüringen eine etwas längere Anreise, aber 70 Prozent der „Vorständigen“ kommen aus Erfurt, Weimar, Apolda und Bad Tabarz, da fällt Erfurt fast noch unter Nahverkehr. Als Zweites zu nennen wäre der Treffpunkt: Die Küche von Ingrid und Ulf Annel bietet ausreichend Platz, wenn man nicht die Ellbogen ausfährt, was sich für brave Vorständige ja auch nicht gehört. Ein drittes wichtiges Argument ist die Gastlichkeit: Die Gastgeber halten stets einen kleinen Imbiss parat, wofür sich die anderen gelegentlich mit einer Flasche Wein oder anderen Leckereien bedanken. Eine kreative und kameradschaftliche Atmosphäre herrscht, bei der auch schon mal in der Sache hart gestritten werden kann. Und manche Vorstandssitzungen ziehen sich bis weit in den Nachmittag …

In diesem Jahr waren wir, zugegebenermaßen, etwas spät dran mit dem Jahresprogramm. Man schrieb den 9. Februar und obwohl gut vorbereitet, quälten wir uns ziemlich bei der Besprechung der zehn Anträge für den Bundeskongress des Schriftstellerverbandes in Aschaffenburg, bei dem uns in der Woche darauf Olaf Trunschke vertreten sollte. Dann ging es um das Jahresprogramm. Neben unserer inzwischen bewährten

Mensching
Steffen Mensching. Foto: Friederike Lüdde

Reihe „Traumberuf: Schriftsteller?“, für die wir die 2019er „Besetzungsliste“ berieten, stand auch die Vorbereitung einer Veranstaltung „Poesie und Politik“ auf dem Programm. Damit, so die Intention, wollten wir auch unseren 2017 verstorbenen Landesvorsitzenden ehren – Hans-Jürgen Döring konnte seine beiden Berufe als Lyriker und Politiker (er war 24 Jahre Mitglied des Thüringer Landtages) mit gleicher Leidenschaft ausüben.
So war das Thema rasch gefunden: Poesie trifft auf Politik. Von Anfang an war klar, dass unser Gast ein schriftstellernder Politiker oder aber ein Autor mit klaren politischen Positionen sein soll. Schnell standen drei Namen im Raum: Elfriede Jelinek – die österreichische Nobelpreisträgerin, die sich jüngst mit ihrem vielbeachteten Drama „Am Königsweg“ mit Donald Trump auseinandersetzte. Robert Habeck – der Grünen-Chef, der vor seiner politischen Karriere als Schriftsteller sechs Romane veröffentlichte. Und schließlich Sahra Wagenknecht – die polarisierende Gallionsfigur der Linken, die sich in ihrem Interview-Buch „Gegen den Strom“ (2017) unter anderem mit Goethe als Gesellschaftskritiker auseinandergesetzt hat.

Gehrke
Romy Gehrke. Foto: privat

Die Diskussion war leidenschaftlich, dabei wussten wir sehr wohl, dass wir ziemlich spät kommen – die von uns ins Auge gefassten Gäste dürften schon an ihren Terminkalendern für das Jahr 2020 sitzen. Ganz abgesehen davon wollten wir uns gar nicht erst vorstellen, welches Gasthonorar wir für eine Nobelpreisträgerin aufbringen müssten und nicht könnten … Doch Denkverbote gibt es im Vorstand nicht.

Kurzerhand wurde eine „Task-Force Poesie & Politik“ gebildet, der neben unserem Landesvorsitzenden Olaf Trunschke auch Ingrid Annel, Siegfried Nucke, Klaus Jäger und Frank Quilitzsch angehörten. Die Aufgaben waren schnell verteilt und es begannen die Mühen der Ebenen. Schon einen Tag später besorgten wir die Kontaktdaten zu Robert Habeck. Auch die Zusage dauerte nicht lange. Doch wir merkten schnell, dass wir bei der Finanzierung der Veranstaltung ungeachtet der großzügigen Unterstützung unseres Fördervereins Lesezeichen e.V., des Thüringer Literaturrates und der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen an unsere Grenzen stießen. Auch einiges an Knowhow fehlte uns: Eher die kleinen Bühnen gewohnt, zielten wir mit „Poesie und Politik“ doch auf ein größeres Publikum. Weitere Partner mussten ins Boot.

Die fanden wir dann Ende April beim Verein Erfurter Herbstlese und beim KulturQuartier Schauspielhaus. Das Rad kam ins Rollen.
Nun galt es, einen adäquaten Gesprächspartner für Robert Habeck zu finden. Wieder gab es eine „Besetzungsliste“, wieder gingen Anfragen raus. Und wieder hatten wir Glück: Theaterintendant und Schauspieler Steffen Mensching ist auch überaus erfolgreich als Schriftsteller tätig. Im vergangenen Jahr erst erschien mit „Schermanns Augen“ ein viel beachteter Roman im Göttinger Wallstein-Verlag. „Politik und Poesie“ nahm Gestalt an. Mit Habeck und Mensching waren beide Felder besetzt. Aber wer übernimmt die Gesprächsleitung? Wer ist tough genug, zwischen zwei durchaus streitbaren Intellektuellen zu vermitteln? Da war es schon ein Abwägungsprozess, wer von uns angesprochen werden sollte. Und auch hier glauben wir, einen „guten Fang“ gemacht zu haben – mit der bekannten Kulturjournalistin Romy Gehrke, Besuchern des Literatur- und Kultur-Hauses Dacheröden noch in guter Erinnerung durch ihren jüngsten Auftritt in unserer Reihe „Traumberuf: Schriftsteller?“

Mehrere Abstimmungsrunden zwischen dem Schriftstellerverband und seiner „Task-Force“ sowie dem Herbstlese-Verein und dem KulturQuartier Schauspielhaus dienten dem Klären von Details: Wo und zu welchen Konditionen werden wir eine Übernachtung für Robert Habeck finden? Wann und wie wird die Veranstaltung beworben? Wer kümmert sich um den Ticketverkauf? Am Ende stand ein Kooperationsvertrag, der die Fragen und die Verantwortungen regelte.

Schließlich fieberten alle dem Start des Kartenvorverkaufs entgegen. Wie wird die Veranstaltung angenommen? Wird das von Romy Gehrke dirigierte Gespann von Habeck & Mensching ein Selbstläufer, oder müssen wir alle über die sozialen Medien unsere Freundeskreise aktivieren?
Es wurde: Nur Stunden nach dem Start des Vorverkaufes war auch schon das Besucherlimit erreicht, die Veranstaltung ausverkauft. Ein Erfolg, für den im Vorstand des Schriftstellerverbandes die Idee geboren wurde, der aber viele Mütter und Väter hat.

Die Hände in den Schoß können wir noch nicht legen. Noch immer gibt es Details abzustimmen. Heute wird sich erneut die „Task-Force Politik und Poesie“ in Haus Dacheröden treffen. Erst in zwei Wochen fällt der Vorhang für die Premiere von „Poltik und Poesie“.

Ob es eine zweite Auflage geben wird? Wer weiß das schon …
Sicher ist nur: Die Annelsche Küche ist ein kreatives Terrain, auf dem noch so manche Idee ausgebrütet werden wird. (kj)