Kauen am Croissant

Stefan Wogawa, neues Mitglied im Verband, gibt einen Einblick in seine Gedankenwelt

Stefan Wogawa beim Schreiben im Garten. Foto: Privat

Stefan Wogawa heißt das „jüngste“ Mitglied im Landesverband Thüringen des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS). Auf die Nachfrage des Vorstandes, wie er es denn mit dem Schreiben und dem Lesen hält, gab er eine ungewöhnliche Auskunft. Er nimmt uns mit in ein Café und lässt seiner Kreativität freien Lauf. Aber lesen Sie selbst:

Was heißt für mich Schreiben, was heißt für mich Lesen?
Um mit dem Letzteren zu beginnen: Beim Lesen tauche ich in neue, phantastische Welten ein. Und beim Schreiben versuche ich, diese phantastischen Welten zu erschaffen.
Das kann (muss aber nicht) so geschehen, wie ich es beispielsweise hier erlebt habe:
„Schreiben in Cafés“ lautet der Titel eines der Ratgeberbücher für angehende Schriftsteller, die ich vor einigen Jahren gekauft habe. Bei denjenigen, die den Rat befolgen, die sich vom heimischen Schreibtisch fortbewegen, werde die Kreativität nur so sprudeln, verspricht die Autorin. Und das soll übrigens in Paris und Venedig genauso funktionieren wie in Wanne-Eickel, im berühmten Big Sur an der kalifornischen Küste ebenso wie in der tiefsten Provinz in Thüringen. So weit jedenfalls die Theorie.
Also setze ich mich, mit einem Spiralblock und einem Tintenschreiber bewaffnet (auch das sind Tipps aus einem der Ratgeberbücher, die ich die ich vor einigen Jahren gekauft habe), in ein Café, nippe an einer Tasse mit undefinierbarem Maschinengebräu, kaue an einem Croissant und mache mir Notizen.
Damit löse ich eindeutig einen Kreativitätsschub aus. Zunächst aber nur bei den Leuten, die lediglich Brot oder Brötchen holen wollen und sich so ihre Gedanken machen. Über mich. Sie sehen mich an, als sei ich im für mich günstigsten Falle gerade vom Mars gepurzelt. Kreativ werden auch die wenigen anderen Gäste, die im Café sitzen. Sie tuscheln und schauen zu mir herüber.
Immerhin habe auch ich hier einen guten Blick auf die Straße – und genaues Beobachten ist ja eine der wichtigsten Voraussetzungen für gutes Schreiben (so steht es in einem weiteren Ratgeberbuch, das ich vor einigen Jahren gekauft habe). Doch mit meinen vom Croissant fettigen Fingern hinterlasse ich zunächst ein paar hässliche Flecke auf den Seiten des Spiralblocks.
Dennoch lege ich los, beobachte und versuche, kreativ zu werden. Ein weißer Golf fährt von links nach rechts, ein grauer Ford von rechts nach links. Eine junge Frau kauft sechs Brötchen für einen Euro und fünfzig Cent, ein Laster mit Anhänger donnert vorbei und eine ältere Frau bestellt einen Hagebuttentee. Einem himmelblauen Trabant entsteigt ein Mann mit dünnem Haar, der ein halbes Baguette mitnimmt, und mein Kaffee ist alle.
Ist das schon eine Geschichte? Wahrscheinlich nicht. Aber man soll die Szenen ja auch weiterdenken.
Doch bevor ich dazu komme, werde ich schläfrig. Ein schwarzes Auto fährt vorbei, dann ein weinrotes. Ich schaue auf die Uhr und bin kurzzeitig hellhörig, als ein Mann ein Singlebrot und zwei Doppelbrötchen verlangt. Vielleicht irgendein Code? Dann kommen immer mehr Leute und ich verliere endgültig den Überblick.
Eine alte Dame holt für ihren Enkel eine Apfeltasche und für sich selbst einen Spritzkuchen. Er fällt ihr herunter, während sie zu einem der Tische geht. Sie hebt ihn wieder auf.
„Es ist ja gewischt hier“, sagt sie und schaut mir in die Augen.
Ich bin mir nicht sicher, nicke aber trotzdem. Dann stehe ich auf und gehe nach Hause. Leise Zweifel bleiben, ob das ein Bestseller wird.

Wer mehr über Stefan Wogawa erfahren möchte, kommt hier auf sein Autorenportät.